Kein Lärm durch musizierende Kinder
10.07.2017AG München 29.3.2016, 171 C 14312/16:
Kläger und Beklagte sind unmittelbare Nachbarn in München und jeweils Eigentümer eines mit einem freistehenden Haus bebauten Grundstücks. Die Beklagten bewohnen ihr Haus mit ihren vier minderjährigen Kindern. Diese spielen seit Jahren regelmäßig Musikinstrumente. Das klagende Ehepaar behauptete, die Kinder würden auch während der vorgeschriebenen Ruhezeiten regelmäßig musizieren. Die bei den Klägern eintreffende Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB. Die Beklagten behaupteten, dass während des Musizierens die Türen und Fenster stets geschlossen seien und bestritten, dass durch das Musizieren Geräusche verursacht würden, die über 55 dB lägen.
Nach Auswertung der Lärmprotokolle wurde klar, dass in aller Regel in den Mittagsstunden gerade nicht musiziert wird. Die Ausreißer war unerheblich. Insofern musste berücksichtigt werden, dass es sich bei den Lärmverursachern um minderjährige Kinder handelte. Von diesen kann nicht ohne weiteres die Einhaltung von Regeln verlangt werden wie bei volljährigen Personen. Es liegt nämlich in der Natur der Kindheit und des Erwachsenwerdens, dass man Grenzen überschreitet, Regeln bricht und daraus und aus den negativen Konsequenzen lernt.
Die Lautstärke musste gerade nicht objektiv durch einen Sachverständigen gemessen werden. Schließlich kann Musik nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich den Vorgang des Musizierens in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiert. Der Geräuschpegel erreichte nicht den Grad der Unzumutbarkeit.
Bei der vorzunehmenden Güterabwägung waren auch die Vorgaben der Verfassung, hier insbesondere Art. 6 GG zu berücksichtigen. Die gesunde Entwicklung junger Menschen steht demnach unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Die Gesellschaft hat sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher kam das Gericht im vorliegenden Fall zu der Überzeugung, dass dem Interesse der Kinder der Beklagten an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen war.