Notar muss Kaufvertrag 2 Wochen vor Vertragsschluss vorlegen
16.07.2015Sachverhalt
Am 14.10.2006 beurkundete der Notar einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung. Vom Inhalt des Vertrags erhielt der Käufer erstmals im Beurkundungstermin Kenntnis. Im Vertrag hieß es insoweit einleitend auf Seite 3:
„Der Notar belehrte über § 17 Abs. 2a Beurkundungsgesetz, wonach dem Käufer zwei Wochen vor Beurkundung der Vertragstext zur Verfügung gestellt werden soll. Der Käufer verzichtet hiermit auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und bestand auf sofortiger Beurkundung."
Dem notariellen Vertrag zufolge waren beide Parteien bis zum 20.11.2006 zum Rücktritt berechtigt. Am 11.11.2006 besichtigte der Käufer erstmals die Wohnung. Anschließend bestätigte er schriftlich, die Wohnung für „in Ordnung gemäß Notarvertrag" befunden zu haben. Nach Zahlung des Kaufpreises wurde der Käufer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Der Käufer verlangt vom Notar Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Wohnung. Der Notar sei ohne Grund von der Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG abgewichen. Hätte er den Kaufvertrag fristgemäß vorher erhalten, hätte er die Wohnung nicht gekauft.
Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen. Der Käufer sei durch das im Vertrag vorgesehene Rücktrittsrecht ausreichend geschützt gewesen.
Das Urteil
Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf um den Rechtsstreit dorthin zurückzuverweisen.
Der BGH ist der Ansicht, dass der Notar seine Amtspflichten verletzt hat. Nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen und ggf. offene Fragen zu klären. Bei Grundstückskaufverträgen geschieht dies in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Vertragstext zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.
Diese Pflicht hat der Notar nicht eingehalten. Die vom Notar in den Vertrag aufgenommene Verzichtserklärung des Käufers ist insoweit ohne Bedeutung. Die Einräumung des Rücktrittsrechts genügte nicht, um den Notar von der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist freizustellen. Dem Verbraucher soll durch die Frist unter anderem ermöglicht werden, sich frühzeitig mit den rechtlichen Besonderheiten des Rechtsgeschäfts vertraut zu machen und zu überlegen, welche Fragen und/oder gegebenenfalls Änderungswünsche er in das Beurkundungsverfahren einbringen möchte.
Auch kann bereits im Vorfeld der Beurkundung durch solche Fragen geklärt werden, dass der Notar für manche Themen - wie z. B. grundsätzlich für wirtschaftliche, steuerliche oder bautechnische Fragen - nicht zuständig ist, sodass der Verbraucher dann bei Bedarf versuchen kann, diese noch rechtzeitig anderweitig zu klären. Diese Ziele werden verfehlt, wenn der Notar ohne Einhaltung der Frist beurkundet. Sie können durch ein Rücktrittsrecht auch nicht ausreichend nachträglich erfüllt werden.
Ein Rücktrittsrecht hat auch eine andere Qualität („Alles-oder-Nichts") als eine vorangehende Überlegungsfrist, die genutzt werden kann, um den geplanten Vertrag inhaltlich zu gestalten. Auch führt ein Vertragsschluss zunächst zu einer Bindung, die der Gesetzgeber ohne entsprechende Vorbereitung des Verbrauchers gerade vermeiden will.
Zwar kann der Notar grundsätzlich einwenden, dass der Verbraucher den Vertrag genauso abgeschlossen hätte, wenn die Frist eingehalten worden wäre. Allerdings obliegt ihm insoweit die Beweislast. Zweifel gehen zu seinen Lasten.Der BGH hat insofern den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das OLG zurückverwiesen. Dieses muss klären, wie sich der Käufer verhalten hätte, wenn ihm der Vertrag rechtzeitig vorgelegen hätte.
(BGH, Urteil v. 25.6.2015, III ZR 292/14)